Warum wir manchmal unvernünftig handeln – und wie bewusste Reflexion hilft

«Der Mensch ist ein merkwürdiges Wesen, das sich manchmal selbst nicht versteht und deshalb unvernünftig reagiert. Um uns zu verändern, müssen wir uns besser verstehen!»

Dieser Satz beschreibt etwas, das viele von uns gut kennen: Momente, in denen wir später verwundert zurückblicken und uns fragen, warum wir in einer Situation so impulsiv reagiert haben – obwohl wir uns doch vorgenommen hatten, ruhig zu bleiben und uns zu beherrschen.

Wir alle folgen inneren Mustern, die oft erstaunlich zuverlässig wirken – und uns dennoch hin und wieder in die Irre führen. Unser Geist liebt Ordnung, doch er produziert ebenso überraschende Nebenwirkungen. Genau dieses Wechselspiel macht uns menschlich.

Gleichzeitig zeigen Erkenntnisse aus der Achtsamkeitsforschung, dass wir einen grossen Teil unseres Alltags im inneren Autopiloten verbringen. Wir reagieren schneller, als wir bewusst registrieren können, was gerade passiert. Und oft ist der Urinstinkt oder die alte Gewohnheit schneller als der Verstand.

Automatische Stressreaktionen: Wenn die Vernunft kurz Pause macht

Stellen Sie sich vor: Ein anstrengender Tag liegt hinter Ihnen. Sie sind übermüdet, vielleicht angeschlagen, und nehmen sich ganz fest vor, heute gelassen zu bleiben. Kaum zuhause (sie freuen sich schon den ganzen Tag darauf, die Beine hochzulegen und einfach NICHTS mehr zu tun), fragt jemand freundlich: «Hast du die Butter mitgebracht?» – und plötzlich kippt die Stimmung.

Es braucht nicht viel: ein Tonfall, ein kurzer Satz, ein unbedachter Blick. Unser Inneres springt an, bevor wir überhaupt bemerken, dass etwas in uns ausgelöst wurde. Fachleute nennen das eine automatische Stressreaktion (körperliche Alarmantwort auf Belastung) – ein Programm, das blitzschnell abläuft, ohne dass wir darüber nachdenken.

Automatische Stressreaktionen entstehen unwillkürlich als Teil der biologischen Alarmreaktionen. Folgende vier klassischen automatischen Stressreaktionen werden unterschieden:

  1. Kampf (Fight): Der Körper mobilisiert Kraft und Aggression, um eine Bedrohung aktiv abzuwehren. Muskeln spannen sich an, Energie wird bereitgestellt.
  2. Flucht (Flight): Das Stresssystem bereitet den Körper darauf vor, einer Gefahr schnell zu entkommen. Herzfrequenz und Atmung steigen, um maximale Bewegungsleistung zu ermöglichen.
  3. Erstarren (Freeze): Bewegungen werden gehemmt, Wahrnehmung wird besonders scharf. Der Organismus «friert ein», um unentdeckt zu bleiben oder Zeit für eine Entscheidung zu gewinnen.
  4. Unterwerfung/Beschwichtigen (Fawn): Automatische Tendenz, zu beruhigen, zu kooperieren oder nachzugeben, um eine potenziell gefährliche Situation zu deeskalieren.

Automatische Stressreaktionen werden durch Bedrohung, starke Emotionen oder körperliche Belastung ausgelöst. Sie laufen über das autonome Nervensystem ab (z. B. Herzrasen, Muskelanspannung, Zittern, Schweiss) und sie haben eine Schutzfunktion: Sie sollen den Körper auf schnelle Handlung vorbereiten.

Solche Mini-Momente zeigen besonders deutlich, wie wenig bewusst wir manchmal handeln. Nicht, weil wir unvernünftig sein wollen, sondern weil unser Geist laufend mit alten Erfahrungen, Bewertungen und Erwartungen arbeitet.

Das innere Betriebssystem verstehen

An manchen Tagen fühlt sich unser Kopf an wie ein Gerät mit zu vielen offenen Programmen. Viel Leistung, wenig Kapazität. Wenn wir innerlich überlastet und übermüdet sind, wird die Wahrscheinlichkeit impulsiver Reaktionen grösser.

«Man reagiert selten auf das, was tatsächlich geschieht – sondern auf das, was man hineinliest und wie man es interpretiert.»

Die Forschung rund um Achtsamkeit macht sehr anschaulich, wie unser Gehirn laufend in die Vergangenheit oder Zukunft springt. Wir interpretieren, vergleichen, bewerten – meist unbewusst. Wenn wir diese Mechanismen nicht kennen, wirken unsere eigenen Reaktionen manchmal rätselhaft oder unlogisch.

Doch sobald wir verstehen, welche Muster, Überzeugungen oder emotionalen Kurzschlüsse in uns wirksam sind, können wir beginnen, bewusst gegenzusteuern.

Neurobiologie im Fokus: Was zwischen Reiz und Reaktion wirklich in uns passiert

Aktuelle Erkenntnisse aus Achtsamkeitsforschung und Neurobiologie zeigen, dass bewusste Selbstwahrnehmung nicht nur eine mentale Fähigkeit ist, sondern direkt in unsere Gehirnprozesse eingreift:

  • Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Moment richten, wird der präfrontale Cortex – jener Bereich, der für Selbststeuerung, Bewertung und Perspektivwechsel zuständig ist – besser aktiviert.
  • Gleichzeitig beruhigt sich die Amygdala, die als Alarmzentrum unseres Gehirns häufig vorschnell auf vermeintliche Gefahren anspringt.
  • Dadurch entsteht eine Art innerer Puffer: Zwischen Reiz und Reaktion öffnet sich ein kurzer Moment der Wahlfreiheit.

Achtsamkeit trainiert genau diesen Zwischenraum. Dies gelingt dabei nur, wenn wir BEWUSST im aktuellen Moment sind. Es ist wie überall: Je mehr wir das trainieren, desto einfacher und automatischer funktioniert es. So wird mit der Zeit das neuronale Netzwerk, das für Gelassenheit, Klarheit und bewusste Entscheidungen zuständig ist, stärker genutzt und besser verankert. Veränderung ist dann nicht mehr (nur) eine Frage des Willens, sondern das Ergebnis eines geschulten, stabileren inneren Systems.

Vom Gefühlsdickicht zur inneren Landkarte

Viele Menschen bemerken erst in herausfordernden Phasen oder Konflikten, wie unklar ihre innere Orientierung eigentlich ist. Sie wünschen sich Gelassenheit, klare Grenzen, bessere Kommunikation – der innere Kompass zeigt jedoch scheinbar in alle erdenklichen Richtungen.

Eine Kundin brachte es einmal auf eine schöne Weise zum Ausdruck: «Ich dachte jahrelang, die Welt sei mein Problem. Dabei brauchte mein inneres Navigationssystem einfach ein Update.»

Achtsamkeit bedeutet in diesem Sinne nicht Rückzug oder Selbstbeobachtung um ihrer selbst willen. Es ist vielmehr eine Art inneres Kartografieren: wahrnehmen, was wirklich da ist, bevor wir reagieren.

«Selbsterkenntnis ist kein Spiegel – sie ist ein Kompass.»

Und je besser wir lernen, diesen inneren Kompass zu lesen, desto leichter wird Veränderung. Nicht, weil wir strenger mit uns werden, sondern weil wir uns besser verstehen.

Humor als unerwarteter Wegweiser

Unsere Eigenarten machen uns nicht nur vielschichtig, sondern oft auch unfreiwillig komisch – und genau darin steckt eine erstaunliche Chance für mehr Selbsterkenntnis.

Ein Beispiel: Am Morgen beschliessen Sie: «Heute bleibe ich ruhig und freundlich.»
Ein paar Minuten später führen Sie eine ernste Diskussion mit Ihrem Toaster, weil er das Brot ein wenig zu dunkel gebräunt hat.

Solche Momente wirken banal, sie zeigen jedoch liebevoll auf unsere Muster. Wichtig in diesem Augenblick ist wiederum das Bewusstsein darüber – zu realisieren: «Ah, jetzt habe ich gerade etwas überspitzt reagiert.»

Wer darüber schmunzeln kann, ist bereits auf dem Weg zu mehr Klarheit – denn Humor schafft jene innere Distanz und das Bewusstsein, die Veränderung überhaupt erst möglich machen.

Achtsamkeit üben – Wege zu einem wachen Bewusstsein

Kleine, gezielte Übungen können helfen, den inneren Autopiloten zu unterbrechen und den Moment bewusster wahrzunehmen. Ein paar Ansätze aus der Praxis:

  • Kurze Pausen einlegen: Atmen Sie drei bewusste Male tief ein und aus, bevor Sie reagieren. Selbst wenige Sekunden schaffen einen Abstand zwischen Reiz und Handlung. Machen Sie ein Ritual daraus; Ich lasse beispielsweise jeweils meine Klangschale erklingen, was mittlerweile automatisch mit einem tiefen Atemzug verbunden ist. In der Zwischenzeit muss ich nur noch an die Klangschale denken und ich atme automatisch tief ein und aus.
  • Sinneswahrnehmungen bewusst registrieren: Achten Sie bewusst auf Geräusche, Gerüche oder Körperempfindungen – das lenkt den Fokus weg von automatischen Gedanken.
  • Gedanken beobachten statt bewerten: Stellen Sie sich vor, Ihre Gedanken seien vorbeiziehende Wolken. Sie nehmen sie wahr, ohne sich darin zu verfangen. Es hilft auch, diese Beobachtungen laut auszusprechen – so rücken sie noch mehr ins Bewusstsein.
  • Routinen achtsam gestalten: Selbst alltägliche Tätigkeiten wie Zähneputzen oder Tee trinken können zu kurzen Achtsamkeitsübungen werden, wenn Sie vollständig bei der Handlung sind.
  • Gefühle willkommen heissen: «Herzlich willkommen, Ärger, Angst, Frust!» Durch das Willkommenheissen nehmen Sie Emotionen bewusst wahr, ohne sie zu bewerten oder verdrängen zu wollen. Indem Sie Gefühle anerkennen, statt gegen sie anzukämpfen, entsteht Raum für Gelassenheit und Klarheit.
  • Reflexionsrituale etablieren: Ein paar Minuten Tagebuchschreiben oder stille Selbstreflexion bei einem Spaziergang oder am Abend helfen, Muster zu erkennen und die Selbstwahrnehmung zu schärfen. So können Sie sich aktiv vornehmen, wie Sie beim nächsten Mal reagieren wollen – eine Art Regieanweisung, welche dann beim nächsten Mal bewusst umgesetzt werden kann.

Regelmässige Achtsamkeit stärkt die Fähigkeit, bewusst zu reagieren, anstatt impulsiv zu handeln. Sie fördert innere Klarheit, Gelassenheit und ein wacheres Bewusstsein. Dies macht den Weg frei für bewusstere Entscheidungen im Alltag.

Fazit: Von der Selbstverwirrung zu innerer Klarheit

Wir sind widersprüchlich, überraschend, manchmal unvernünftig – gerade dadurch lernfähig und entwicklungsbereit. Achtsamkeit, verstanden als bewusster Blick nach innen, hilft uns, den Autopiloten zu bemerken und unsere Reaktionen besser zu lenken.

Sobald wir erkennen, warum wir fühlen, kommunizieren und handeln, wie wir es tun, entsteht Raum für stimmigere Entscheidungen. Versuchen Sie es!

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